Als dritte Epoche der Zerstörung kann man die Zeit ab den Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts identifizieren. Damals begann das, was man gemeinhin mit dem Begriff Globalisierung bezeichnet. Das hatte auch Auswirkungen auf die Stadtplanung und auf die Architektur, die weltweit immer einfacher, langweiliger und austauschbarer geworden ist.
Längst gibt es jedoch in vielen Städten Gegenbewegungen bei Architektur und Stadtplanung. Es werden historische Gebäude und sogar ganze Gebäudegruppen wiederaufgebaut. Und es wird bei den Neubauten darauf geachtet, dass sie die architektonische Identität einer Stadt weiterführen.
In Stuttgart ist von all dem noch nichts angekommen. Der Niedergang der Stadt in architektonischer und städtebaulicher Hinsicht geht unverdrossen weiter. Auch der Grüne OB hat hieran bisher nichts ändern können.
Ein herausragendes Negativbeispiel für Architektur und Stadtplanung ist das sogenannte Bülow-Carre zwischen der Lautenschlagerstraße und der Stephanstraße sowie zwischen dem Hauptbahnhof und dem Schlossplatz. Der Bau dieses neuen Gebäudes geht in diesen Tagen seiner Vollendung entgegen. Das neue Gebäude prägt die Straßenräume auf weite Strecken. Die für das Gebäude verwendeten Fassadenmaterialien (Glas und Stahl) sowie die Fassadenfarbe (Grauschwarz) sind eine Katastrophe.
Kein Ort zum Wohlfühlen: Bülow-Carre in Stuttgart`s Lautenschlagerstraße |
Gebäude in der Lautenschlagerstraße: gäbe es mehr Gebäude dieser Art in Stuttgart, wäre die Stadt fast so schön wie Paris. |
Neues Gebäude des Bülow-Carres (rechts) und Gebäude der ehemaligen Oberpostdirektion (links): auch das Gebäude links im Bild hat eine Stuttgart-Identität. |
Der Einwand führt jedoch in Bezug auf Stuttgart ins Leere. Wenn man einen architektonischen Kontrapunkt setzen will, hat das zur Voraussetzung, dass etwas da ist, gegen das man den Kontrapunkt setzen kann. Und diese gewachsene Bebauung, diese Bebauung mit Stuttgart-Identität ist in dieser Stadt kaum mehr vorhanden. Von daher ist das Bülow-Carre kein architektonischer Kontrapunkt, sondern eine erneut verpasste Chance, Stuttgart wieder mehr zu einer Identität zu verhelfen.
Wenn das so weitergeht, wird es nichts mehr mit einem attraktiven Stuttgart. Und es sage niemand, dass die politischen Vertreter hier machtlos sind. Der Gemeinderat und der Baubürgermeister könnten sehr wohl mehr und besseren Einfluss auf die Architektur und die Stadtgestaltung in Stuttgart nehmen. Aber leider herrscht hier Fehlanzeige.
Wie kommt man hin?
Vom Hauptbahnhof folgt man der Lautenschlagerstraße bis zur Einmündung der Thouretstraße (ca. 300 Meter). Dort steht man an der Ecke vor dem neuen Bülow-Carre. Man kann das Carre nun im Verlauf der Thouretstraße, der Stephanstraße, der Bolzstraße und der Lautenschlagerstraße umrunden (ca. 450 Meter).
Weitere Informationen
Wichtige Profanbauten in Stuttgart-Mitte, A - H im Post vom 02.11.2022 in diesem Blog
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